US-GesetzOnline-Dienste sollen das Internet kinderfreundlich machen

Der US-amerikanische Kids Online Safety Act (KOSA) soll Kinder unter anderem vor Inhalten im Internet schützen, die „Depressionen“ fördern. Während US-Präsident Joe Biden Druck macht, warnen Bürgerrechtler*innen vor Zensur und Alterskontrollen.

Kleinkind mit Tablet
KOSA soll neu definieren, was der Staat zum Schutz von Kindern im Netz verbieten darf – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Kelly Sikkema

Ein neues Gesetz in den USA soll Kinder vor Gefahren im Netz schützen. Der Kids Online Safety Act (KOSA) nimmt dabei die Dienste selbst in die Pflicht, sofern sie von Minderjährigen genutzt werden können. Betroffen sind demnach neben Social-Media-Seiten auch Messenger, Streaming-Dienste oder Videospiele. Die Dienste sollen Maßnahmen ergreifen, um Kinder vor schädlichen Inhalten zu schützen. Bürgerrechtler*innen warnen vor flächendeckenden Alterskontrollen und Zensur.

Anfang 2022 trat der Kids Online Safety Act erstmals in Erscheinung. Zuletzt überwand KOSA im US-Senat eine wichtige Hürde und wurde im zuständigen Ausschuss angenommen.

Ein wichtiger Teil des Gesetzentwurfs ist die die Fürsorgepflicht („duty of care“). Die Pflicht betrifft nicht etwa die Eltern, sondern die Online-Dienste selbst. Sie müssen laut Gesetzentwurf sicherstellen, dass Kinder auf keine Inhalte zugreifen können, die ihre mentale Gesundheit gefährden könnten. Darunter fallen unter anderem Depressionen, Angst- und Essstörungen, Drogenkonsum, sexuelle Ausbeutung oder Suizid. Vor allem hierzu gibt es Bedenken.

Im Gesetzentwurf stehen auch weitere Maßnahmen zum Kinder- und Jugendschutz. Zum Beispiel sollen betroffene Plattformen Minderjährige nicht zur „zwanghaften Nutzung“ animieren, etwa durch Push-Nachrichten oder automatisch startende Videos.

Warnung vor Alterskontrollen

Um überhaupt minderjährige Nutzer*innen zu erkennen, bringt der Entwurf Alterskontrollen ins Spiel. Zunächst soll mithilfe einer Studie ermittelt werden, wie sich solche Kontrollen technologisch umsetzen lassen. Ähnliche Ansätze gibt es auch in der EU. Aktuell werden Alterskontrollen im Kontext der EU-Verordnung gegen sexuellen Missbrauch von Kindern diskutiert; bekannt unter dem Schlagwort Chatkontrolle. Die Bedenken und Argumente gegen Alterskontrollen ähneln sich: Die zunächst nur für Minderjährige gedachten Maßnahmen könnten die Anonymität aller Internet-Nutzer*innen gefährden.

Zu den schärfsten Kritiker*innen von KOSA gehört die Bürgerrechtsorganisation EFF (Electronic Frontier Foundation). Sie warnt davor, dass mit KOSA „legale Äußerungen gefiltert und geblockt“ werden. „Idealerweise sollten Eltern und Familien entscheiden, welche Online-Inhalte für welches Alter geeignet sind und welche zu weit gehen“, erklären die Bürgerrechtler*innen auf Englisch. Mit KOSA würde der Staat das vorschreiben – und hätte auf diese Weise viele Möglichkeiten, Inhalte zu zensieren. KOSA sei außerdem ein „direkter Angriff auf Minderjährige, die die Welt auf ihre eigene Weise kennenlernen und darüber sprechen wollen“.

Es sind gerade die offenen Formulierungen im Gesetzentwurf, die Kritiker*innen Sorgen bereiten. Ein Zusammenschluss von mehr als 90 NGOs warnte Ende 2022: Das Gesetz könnte auch genutzt werden, um LGBTQ-Inhalte zu zensieren. Das Thema ist in den USA besonders brisant. Reaktionäre Politiker*innen halten Aufklärung über queere Identitäten und Lebenswelten für schädlich, im US-Staat Florida hat queerfeindliche Gesetzgebung Protestwellen ausgelöst.

Der Kritik zum Trotz unterstützen den Gesetzentwurf bereits mehrere Senator*innen über Parteigrenzen hinweg, auch der demokratische US-Präsident Joe Biden hat auf eine rasche Verabschiedung gedrängt. Ursprünglich eingebracht hatten ihn der liberale Richard Blumenthal und die erzkonservative Marsha Blackburn. Der Senat ist nur eine von zwei Kammern im Gesetzgebungsprozess, als nächstes müsste der Entwurf noch das Repräsentantenhaus passieren.

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8 Ergänzungen

  1. > Der US-amerikanische Kids Online Safety Act (KOSA) soll Kinder unter anderem vor Inhalten im Internet schützen, die „Depressionen“ fördern.

    Wenn’s im Leben nicht so gut klappt, dann ist das Internet mit seinen Inhalten daran schuld?

    Wenn Kinder Depressionen bekommen (erlebte Hilflosigkeit), dann liegt das vor allem an den Verhältnissen in denen das Kind lebt und an den Beziehungen in seinem persönlichen Umfeld. Daran will niemand wirklich was ändern, denn ein depressives Kind aus ärmlichen Verhältnissen soll bitte bildungsarm bleiben, und keinen Studienplatz belegen, der für Sprösslinge „aus guten Verhältnissen“ vorgesehen ist.

    Depressiv kann man auch aus organisch bedingten Gründen werden. Hat auch nix mit Internet-Inhalten zu tun.

    Wenn Kinder sich mehr körperlich bewegen würden wäre das eine ziemlich gute Prävention gegen Depression. Das Kind am Bolzplatz lebt gesünder und ist weniger im Internet unterwegs.

    Gesetzgebungen dieser Art gehen an elementaren Lebensverhältnissen vorbei.

  2. Dem Artikel nach betrifft die Maßnahme das gesamte Internet und jede Anbieterin, weltweit.
    Sollte sich der globale Rechtsraum da differenzierter gestalten, wird sich das über Handelsabkommen vermutlich schnell auflösen.
    Vielleicht ist es zu unterkomplex gedacht. Aber bedeutet das effektiv nicht, dass zur Nutzung des Internets in absehbarer Zeit eine Authentifikation notwendig sein wird?
    Man muss Bösartigkeit und autoritaristisches Bestreben nicht voraussetzen, wenn Dummheit als Begründung reicht? Vielleicht ist es hier und das einfach beides.

    1. > Man muss Bösartigkeit und autoritaristisches Bestreben nicht voraussetzen, wenn Dummheit als Begründung reicht? Vielleicht ist es hier und das einfach beides.

      Was fehlt ist die rettende Portion Dummheit. (Orwell, 1984)

      Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. (Albert Einstein)

      Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen. (Theodor W. Adorno), Minima Moralia, 34)

  3. Im realen Leben käme niemand auf die Idee, Gesetze zu erlassen, wonach Großbaustellen, Autobahnauffahrten und ICE-Schnellfahrtrassen „kindergerecht“ zu gestalten sind.

    Stattdessen hat man Bereiche etabliert, die absolut sicher sein müssen für Kinder (Spielplätze, Schulen, Bolzplätze) und Bereiche, in denen Kinder in Begleitung unterwegs sind (Supermärkte, Bürgersteige).

    Von Eltern und Erziehungsberechtigten wird erwartet, dass sie dafür sorgen, dass Kinder in Supermärkten kein Bier und Zigaretten naschen. Und dass sich Kinder von Autobahnen und anderen gefährlichen Orten fernhalten.

    Was spricht eigentlich dagegen, im Internet genau so zu verfahren?

    1. Dagegen spricht, dass vielen Politikern (egal ob in Deutschland, der EU an sich oder den USA) ein freies Internet insgeheim zuwider ist und viele Eltern in Wirklichkeit zu stinkfaul sind, um sich um ihre Kinder zu kümmern.

      Letzteres kann man zumindest hierzulande daran sehen, wie sehr Smartphones und Tablets zur Ruhigstellung verwendet werden und manch Kinder so ziemlich alles machen dürfen, während ihre Erziehungsberechtigten gerade mit den Augen am Smartphone kleben. Wenn man die offensichtliche Tatsache ausspricht, dass Kinder eigentlich *überhaupt nicht* ins Internet gehören, wird wiederum mit Gruppendruck in der Schule „argumentiert“.

      1. „offensichtliche Tatsache ausspricht, dass Kinder eigentlich *überhaupt nicht* ins Internet gehören“
        Was soll an dieser verqueren These offensichtlich sein. Das Internet gehört zur Welt und Kinder müssen in ihrer Entwicklung die Welt erkunden und verstehen lernen. Dazu gehört selbstverständlich das Internet. Wie in der realen Welt gibt es Dinge, die der Förderung der Entwicklung und der Ausbildung eines Selbstbewußtseins nicht förderlich sind. Normalerweise erledigt die Erziehung und die Schulbildung, daß die Kinder damit eher nicht in Kontakt kommen.

        Fehlende Bildung der Eltern kann das Internet nicht ersetzen. Auch daß im ÖR und privaten Fernsehen gefühlt zu jeder Tages- und Nachtzeit Krimis laufen und von Kindern gesehen werden ist nicht gut. Vlt. sollte man mal dort ansetzen und das Programm regulieren. Zu meiner Kindheit gab es vor 16:00 gar nichts im Fernsehen und dann Kinderprogramm.

      2. „Dagegen spricht, dass vielen Politikern (egal ob in Deutschland, der EU an sich oder den USA) ein freies Internet insgeheim zuwider ist und viele Eltern in Wirklichkeit zu stinkfaul sind, um sich um ihre Kinder zu kümmern. “

        Das Problem sind aber oft doch die Real-Life-Analogien. Die Kinder steckt man als Problemmacher dann in ein Internat, oder einen Kindergarten, je nach dem. Zur Not ein Auslandsjahr ;), oder in manchen Ländern in die Tiefkühltruhe zum Kindermädchen. Wer’s kann… das in IRL.

        Im Internet plötzlich… Kind kann gar nicht ins Bordell reinlaufen, weil der Ausweis kontrolliert wird… TRÄUM WEITER IDIOT! In der Realität schon nicht der Fall, auch wenn die meißten Kinder diese Plätze meiden dürften. Also: AN DIE LEINE DAMIT!
        Eltern wollen nicht auf Kinder aufpassen? AN DIE LEINE DAMIT! Smartphone kassieren, hacken, Schutzsoftware drauf. Welcome back, to real life!

  4. > „Das Internet gehört zur Welt und Kinder müssen in ihrer Entwicklung die Welt erkunden und verstehen lernen. Dazu gehört selbstverständlich das Internet.“

    Aber nicht schon in frühestem Alter. Da muss ich dem Anon oben beipfilichten.

    > „Auch daß im ÖR und privaten Fernsehen gefühlt zu jeder Tages- und Nachtzeit Krimis laufen und von Kindern gesehen werden ist nicht gut. Vlt. sollte man mal dort ansetzen und das Programm regulieren. “

    Das setzt voraus, dass die Kinder überhaupt lineares Fernsehen konsumieren.Vielleicht sollte man mal von Eltern mehr eigene Verantwortung verlangen und voraussetzen. Du willst nicht, dass dein Kind im Internet auf Pornographie stößt? Dann installier selber Filterprogramme, anstatt zu verlangen bzw. zu erwarten, dass volljährige Menschen bevormundet werden.

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